Birth Control
3.März 2007, Bonn-Endenich, Harmonie
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Gehe ich nun zu einer Vernissage mit Fotos von Jazzmusikern oder fahre ich ein Stück weiter zu einem Live-Konzert von Birth Control nach Bonn? Wenn man sonst keine Probleme hat... Natürlich entscheide ich mich für das Konzert ? zur Ausstellung kann ich ja immer noch gehen. In meine Geburtstadt Bonn zieht es mich nicht nur, weil meine Mutter dort noch wohnt, womit auch die Übernachtung gesichert ist, sondern auch weil es in der Harmonie hin und wieder gute Hardrockkonzerte gibt ? z.B. erlebte ich dort Wishbone Ash, Jane, Dirty Deeds, Gun Barrel, Pump, Killerz.
Heute aber galt es, erneut eine "Bildungslücke" zu füllen, denn ein Live Konzert von Birth Control hatte ich aus unerklärlichen Gründen bislang noch nicht geschafft. Dabei hatten wir früher gerade zu dem Hit "Gamma Ray" mit Inbrunst getanzt. Fragt mal einen Mittvierziger bis Endvierziger, ob er den Song kennt ? er wird über diese dumme Frage empört sein!
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Birth Control
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An der Bühne gab es keinen Fotograben, und somit mussten sich die wenigen Fotografen den Weg zur Bühne frei kämpfen. Das Konzert begann leicht verspätet, aber unter großem Jubel kurz nach 20.00 Uhr. Schon von Anfang an war klar, wer hier das Sagen hatte ? der Drummer und Sänger, einziges Original-Mitglied (wenn man die erste Phase, als Birth Control noch eine Coverband waren und von Hugo Egon Balder, der damals - 1968 - für fünf Monate am Schlagzeug saß, mitgegründet wurde, nicht mitzählt) Bernd Noske, genannt "Nossi", seit Dezember 1968 dabei und inzwischen über 60 Jahre jung. Von hier aus ging die Energie, die sich auf die anderen Musiker und das Publikum übertrug, mehr als von den jüngeren Musikern, und diese spiegelte sich in wilden Gebärden und Grimassen wider.
Ich konnte von Anfang bis Ende nur staunen. Das alles hatte ich jahrelang nicht wahrgenommen ? solch gute Musik, geprägt von Keyboarder Sascha Kühn, der wie in den Siebzigern klang, aber erst seit 2000 dabei ist und den Hammond-Sound wie seinerzeit rüberbrachte, mit Händen und Füßen spielte. Sein rechter Fuß ging im Takt der Musik mit, seine Hände spielten gelegentlich überkreuzt, die Begeisterung, die Musikalität war nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen.
Ein Highlight war dann, als der ehemalige Sänger und Bassgitarrist Peter Föller als Special Guest auf die Bühne geholt wurde ? auch schon in die Jahre gekommen, uneitel gekleidet, aber so war das halt in den Siebzigern, und man steht ja auch dazu. Nur wirkte er leider manchmal etwas verloren auf der Bühne. Sein Bemühen, mit dem Gitarristen zusammen zu posen, ging manchmal ins Leere, wurde schlicht nicht erwidert, was ich von dem Gitarristen als etwas arrogant empfand ? er hätte ihn doch etwas mehr wahrnehmen sollen. Mag sein, dass sich der geniale Peter Engelhardt, seit 1995 dabei, zu sehr auf sein Gitarrespiel konzentriert, wobei er mit seinen bekannten Soli glänzte. Hier ging die an und für sich gute Idee, einen früheren Musiker auf die Bühne zu holen, fast daneben, und etwas mehr Respekt vor dem ehemaligen Bandmitglied wäre doch wünschenswert gewesen. So konnte einem der blonde Peter Föller, der nach wie vor eine klasse Stimme hat, fast leid tun. Denn das, was er an Zusammenspiel suchte und was er in früheren Zeiten mit Sicherheit erlebt hatte, fand er zumindest heute nur in wenigen, gezwungen wirkenden Momenten auf der Bühne. So etwas muss vermutlich über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, wachsen. Gegen Ende jedoch taute das Eis, und der Gitarrist ließ sich gelegentlich zu einem freundlichen Lächeln und gemeinsamen Posen herab.
Das größte Charisma hatte der Drummer, von dem die meiste Energie ausging. Spätestens bei den Soli taute er richtig auf, und eine Präsentation von diversen Percussions, gerade bei "Gamma Ray", erinnerte fast an einen Verkäufer, der seine Ware feil bietet. So fehlte fast nur die Frage: Welches Instrument hätten Sie denn gern? Zu schnell war für meinen Geschmack der Wechsel, aber schon interessant, und man vermisste fast einen Kommentar zu dieser Musikinstrumenten-Lehr-Minute. Ich vergaß auf die Uhr zu sehen, so toll war die ca. 20minütige Version von "Gamma Ray".
Unvergesslich der Moment, als ein Althippie ehrfürchtig wie in der Kirche vor der Bühne niederkniete und seine graumelierten, noch langen Locken frenetisch über den Bühnerand kreisen ließ. Luftgitarre- und ?schlagzeugspielen war die andere Ausdrucksweise mancher Anwesenden. Birth Control sind immer noch Kult ? und dank der neuen Musiker wird die Musik weiterleben. So machen es viele - Santana, die Stones, Jethro Tull, Nektar, Ufo, The Sweet, Uriah Heep und andere. Zwischendurch war der Schlagzeuger auch als Frontmann zu sehen, dann sprang er wieder quicklebendig über seine Drums und dann zu seinem angestammten Platz zurück. Schön auch die Ballade "A Night of it" mit Akkustikgitarre.
Vertreter der Althippie-Generation gab es noch vereinzelt im Publikum, doch die meisten waren zu meiner Überraschung sehr jung. Ich hätte nie gedacht, dass sich die Jugend "so etwas" anhört. Schön, dass Hardrock nicht vergessen wird, dass die Jugend rockt, die alten Bands feiert und sogar fotografiert! Sogar ein Kind war in elterlicher Begleitung dabei (ach ja, wurden wir früher nicht in die Oper mitgeschleift?)
Am Ende gab es noch mehrere Zugaben, und dem Publikum war anzumerken, dass es gern noch mehr gehört hätte. Aus der Traum! Die CD "Hoodoo Man" von 1972 war ? vermutlich wegen des Songs "Gamma Ray", schnell ausverkauft. Übrigens, die Band produziert fast jährlich eine neue CD. (Angela)
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Wer die Band 2007 noch live erleben will ? hier ein paar heiße Tipps:
Melle-Buer, Emden, Ahaus, Mechernich, Norddeich, Leer (vor der Sommerpause) und weitere Orte in Deutschland (s. Website) nach der Sommerpause. The Legend lives on!
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